Montag, 29. August 2016

Das Leuchten meiner Welt von Sophia Khan




    Erscheinungsdatum: 13.06.2016
    Verlag: Diana Verlag
    ISBN: 9783453358966
    Flexibler Einband: 476 Seiten

    Meine Bewertung: 4 von 5 Punkten 


Das Leben der zehnjährigen Irenie gerät aus den Fugen, als ihre Mutter Yasmeen plötzlich verschwindet. Ihr Vater James gibt ihr keine Erklärung und auch ihre Verwandten in Pakistan schweigen. Fünf Jahre später offenbart eine Kiste voller Briefe ein Geheimnis, das für immer verborgen bleiben sollte. Irenie erinnert sich an Ereignisse und setzt Puzzlesteine zusammen, um ihrer Mutter wieder ein Stück näher zu kommen.

Sophia Khan zeichnet eine Familiengeschichte, die nachdenklich stimmt. Nachdem Yasmeen Mann und Tochter verlassen hat, versuchen sie ihr Leben zu organisieren. Beide trauern und sind einsam, finden aber keinen gemeinsamen Weg.
Leise, aber eindringlich lässt die Autorin Vater und Tochter abwechselnd zu Wort kommen. Die Rückblenden helfen, die Protagonisten mit all ihren verletzten Gefühlen und den daraus resultierenden Missverständnissen zu verstehen. Ein wichtiger Punkt ist die Verbindung zweier unterschiedlicher Kulturen (Amerika und Pakistan), die andere Werte und sittliche Vorstellungen haben.

Irenies Kindheit ist geprägt von den Stimmungsschwankungen ihrer Mutter. Mal die beste Freundin, dann wieder ein hilfloses Wesen, das durch die sechsjährige Tochter gestützt werden muss. Doch vielmehr noch Irenies Lebensmittelpunkt, der plötzlich verschwindet.
Erst fünf Jahre später findet Irenie Briefe, die ihr helfen, ihre Mutter wirklich kennenzulernen. In ihr nicht nur die Mutter, sondern auch die junge Frau zu finden, die heimlich einen Freund in Pakistan hat und die zwischen Liebe, Verantwortung und Selbstzweifeln zerbricht.

"Jeder Brief zeugt von dem Versuch, die Fehltritte des anderen zu übertreffen, so lange, bis sich ein Fehltritt nicht mehr rückgängig machen ließ und ihre Trennung schließlich ihr Leben wurde.“
Das gespannte Verhältnis zwischen Vater und Tochter wird gekonnt skizziert. James hatte nie die Chance eine enge Beziehung aufzubauen. Er fühlt sich ausgeschlossen. Irenie versucht ihre Mutter zu ersetzen. Sie lernt alle pakistanischen Gerichte aus dem Kochbuch ihrer Mutter zu kochen. Hält den Haushalt in Ordnung, aber bleibt für den Vater fremd. Eine Aussprache findet nicht statt und Gefühle werden von beiden verborgen.

Erst die Reise von Irenie nach Islamabad zur Familie ihrer Mutter bringt die Veränderung, die James dazu zwingt, sich seinen Ängsten und seiner Tochter zu stellen.

Am Ende bleibt die Frage, wann der richtige Zeitpunkt ist, um einem Kind die Wahrheit zu sagen und was passiert, wenn man diesen Zeitpunkt verpasst hat.

Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich mit dem Schreibstil und der Geschichte anfreunden konnte. Dieser Roman ist nicht aufregend oder fesselnd, sondern besticht durch kleine besondere Momente, die besonders Eltern nachvollziehen können.

Donnerstag, 18. August 2016

Die Sommer der Porters von Elizabeth Graver




    Erscheinungsdatum: 05.07.2016
    Verlag: Mare Verlag
    ISBN: 9783866482234
    Fester Einband: 464 Seiten

    Meine Bewertung: 5 von 5 Punkten 


Der Sommersitz auf Ashaunt an der Küste Neuenglands ist für die gut situierte Familie Porter ein wichtiger Rückzugsort. Hier trifft sich die Familie jeden Sommer für viele Wochen und lässt den Alltag hinter sich. Im Jahr 1942 macht der Krieg aber auch hier Station und beeinflusst nachhaltig das Leben der Porters. Über 50 Jahre und Generationen hinweg bleibt der Küstenort Mittelpunkt ihres Sommers.



Elizabeth Graver ist es gelungen, einen Generationenroman mit einer eindrucksvollen Leichtigkeit zu schreiben. Unterteilt in vier Zeitabschnitte mit wechselnden Perspektiven und Erzählstilen, die jeweils einem Protagonisten gewidmet sind, erlebt man die Sommer auf Ashaunt. Nicht jeder Abschnitt ist flüssig zu lesen und es bedarf an manchen Stellen hoher Aufmerksamkeit, um den Passagen folgen zu können. Vieles wird nur angedeutet, bleibt im Raum stehen. Lässt dem Leser dadurch aber auch Raum für eigene Gedanken. Desto länger man liest, um so mehr wird man in die Geschichte hineingezogen, genießt das Geschehen.

Der Einstieg im Jahr 1942 beginnt mit Bea, dem schottischen Kindermädchen. Ihre Geschichte steht stellvertretend für viele Auswanderer, die ihre Heimat aus Not verlassen mussten. Sie schildert die Begegnungen mit den stationierten Soldaten, das Verhältnis der Mutter zu den Kindern, die Freiheit des Sommers.

Von 1947 bis 1961 erzählt Helen in Briefen und Tagebucheinträgen ihre Erlebnisse. Sie ist zerrissen zwischen Familienleben und Lehrbegierigkeit. Es gibt wenig Handlung und viele Gedankensprünge. Dieser Abschnitt ist für mich der einzige Schatten in der Erzählung und konnte mich nicht abholen.



"Sie hat eine Menge Energie damit verschwendet, zu viel von sich und allen anderen zu erwarten.“
1970 wird Charlies Aufenthalt in Ashaunt beschrieben. Anders als alle anderen Familienmitglieder zieht er es vor, dauerhaft in einer kleinen Hütte neben dem Haupthaus zu leben. Er scheint sich selbst zu zerstören, droht zu verwahrlosen. Ein wichtiger Punkt ist hier wohl Helen, seine Mutter, die ihn überbehütet und zu hohe Erwartungen an ihn gestellt hat. 

1999 schließt sich der Kreis und Beas Weg beendet sehr gefühlvoll, leise und bewegend die Geschichte.

Das Gefühl, das ich beim Lesen hatte, ist schwer in Worte zu fassen. Für mich war es eine Auszeit aus dem Alltag, eine Reise an einen besonderen Ort. Mir hat dieses Familienepos mit vielen berührenden Momenten, einem Hauch Melancholie und Lebenshoffnung sehr gefallen.

Montag, 15. August 2016

Baumgartner kann nicht vergessen von Reinhard Kleindl


 http://www.haymonverlag.at/page.cfm?vpath=buchdetails&titnr=7852

    Erscheinungsdatum:01.07.2016
    Verlag: Haymon Verlag
    ISBN: 9783709978528
    Flexibler Einband: 288 Seiten

    Meine Bewertung: 5 von 5 Punkten 


Ein furchtbarer Fund in einem Grazer Schotterteich erschüttert die Mordgruppe. Ein Lieferwagen mit sechs nicht identifizierten Toten, die gleichzeitig starben. Flüchtlinge? Mordgruppen-Leiterin Caroline Meier gerät an ihre Grenzen, denn der Druck von oben ist immens. Ihr fehlt der Instinkt von Franz Baumgartner, doch dieser ist suspendiert und durch seinen Alkoholkonsum nicht einsatzfähig. 


Baumgartner ermittelt zum dritten mal. Für mich war es die erste Bekanntschaft, mit diesem untypischen Ermittler. Die Rückblenden und Hinweise reichen völlig aus, um sich im Geschehen zurecht zu finden.

Der Schreibstil von Reinhard Kleindl hat eine Sogwirkung. Man ist gleich zu Beginn gefesselt und gleichzeitig geschockt. Drei Handlungsstränge die aufeinanderzulaufen und nichts Gutes ahnen lassen.

Zu Beginn eine Gruppe Menschen, die in einem Lieferwagen unterwegs sind. Hani, ein kleines, verzweifeltes Mädchen, die Erzählerin. Ihr Schicksal ist besonders bewegend und rührt einen. Man stellt Parallelen zu Fernsehbildern und Berichten her, kommt ins Grübeln. Flüchtlingsschicksale sind plötzlich gar nicht mehr so fern.

Dann der Fund eines Lieferwagens mit sechs Toten. Selbst für die Mordgruppe ein schockierender Fall, der alle an ihre Grenzen bringt. Sehr gelungen sind hier die Charakterbeschreibungen, die sehr intensive Bilder der agierenden Ermittler zeichnen. Man spürt die Erschöpfung der Leiterin Caroline Meier, sieht die Angst, des Neulings Kevin Hiebler. Über allem die Machtkämpfe der Führungsspitze. Versagen oder Anerkennung liegen nah beieinander und behindern die eigentlichen Ermittlungen.

Der dritte Handlungsstrang ist der persönlichste. Baumgartner, suspendiert, alkoholabhängig, lebensunfähig kämpft sich von Tag zu Tag. Sein privater Feldzug gilt dem Aufspüren seines Jugendfreundes Paul, denn eine Ahnung lässt ihn einfach nicht mehr los. Mehr Wrack als Mensch ist es schwierig, in ihm den brillanten Ermittler zu erkennen.



"Baumgartner sah aus wie jemand, der alles gegeben hatte - und nun war nichts mehr übrig."
Für mich ist dies mehr als nur ein Krimi. Eine emotionale Achterbahnfahrt, die gesellschaftskritisch und dramatisch aufzeigt, dass es mehr als Schwarz und Weiß gibt.
Absolute Leseempfehlung.

 

[Aktion] Montagsfrage vom Buchfresserchen

 


Das Buchfresserchen fragt an jedem Montag. Diesem Montag ist es diese Frage: Welches Buch hat dich zuletzt richtig enttäuscht und warum? 

Eigentlich mag ich keine Bücher von Promis und denen, die sich dafür halten. Das Buch wurde aber stark beworben und so machte ich eine Ausnahme: 

Lieben lassen. Ariane Sommer und Roman Libbertz 

war so gar nicht mein Fall.

 

Frank Einstein - Die Jagd nach dem Blitzfinger von Jon Scieszka




    Erscheinungsdatum: 23.11.2015
    Verlag: Heyne fliegt
    ISBN: 9783453269798
    Fester Einband: 176 Seiten

    Meine Bewertung: 4 von 5 Punkten 


Viel Zeit zum Tüfteln in seiner Werkstatt bleibt Frank Einstein nicht, denn Erzrivale Edison hat schon wieder einen fiesen Plan. Diesmal will er die gesamte Stromversorgung seiner Heimatstadt an sich reißen und natürlich eine Menge Geld verdienen. Zusammen mit den schlauen Robotern Kling und Klang nimmt Einstein den Kampf auf, denn er hat natürlich schon eine Erfindung, die viel besser ist.



Auch die Fortsetzung von Frank Einsteins Abenteuern kann begeistern. Autor Jon Scieszka vertieft diesmal das Thema "Energiegewinnung" und nimmt die jungen Leser mit in die aufregende Welt der Physik. Dank der gelungenen Illustrationen von Brian Biggs kann man sich die Darsteller und deren Erfindungen sehr gut vorstellen. Empfohlen wird das Buch für Leser ab 10 Jahren. Es bedarf aber schon eines gewissen Interesses für Technik, um Spaß am Lesen zu finden, auch wenn schwierige Begriffe am Ende des Buches noch einmal erklärt werden.

Welches Kind hätte nicht gern Roboter, die frei denken und handeln. Frank Einstein hat gleich zwei liebenswerte Blechbüchsen an seiner Seite. Kling und Klang helfen ihm, seine genialen Erfindungen zu entwickeln. Damit er nicht allzu größenwahnsinnig wird, steht ihm sein "natürlicher" und normal denkender Freund Watson zur Seite, der es nicht immer leicht mit Einstein hat.

Wir sind uns einig, einen Blitzfinger könnten wir sicherlich alle gut gebrauchen.
Edison mit seinen schlimmen Ideen muss erneut gestoppt werden. Der Spannungsbogen wird gekonnt aufgebaut und endet dramatisch.

Meine kleinen Physik-Fans waren wieder ganz begeistert vom Einstein-Abenteuer und hoffen auf eine schnelle Fortsetzung.

Interview mit dem Autor zum Buch:






Samstag, 13. August 2016

O sole mio! von Johanna Alba und Jan Chorin





    Erscheinungsdatum: 24.06.2016
    Verlag: ROWOHLT Taschenbuch
    ISBN: 9783499271991
    Flexibler Einband: 368 Seiten

    Meine Bewertung: 4,5 von 5 Punkten 

Darf ein Papst eine Auszeit nehmen? Papst Petrus nutzt die Gelegenheit, als sie sich bietet und schlüpft in die Rolle eines Dorfpfarrers, um an der Amalfiküste auszuspannen. Aber wo Petrus weilt, ist ein Verbrechen nicht weit und so wird sein geplanter Urlaub zur spannenden Mörderjagd. Alle Spuren führen in die Vergangenheit des alten Hotelbesitzers, als Jackie Kennedy Gast des Hauses war.



O sole mio! ist der 4. Band rund um Papst Petrus. Dem Autorenduo Johanna Alba und Jan Chorin ist es gelungen eine unterhaltsame kriminalistische Komödie zu schreiben, bei der der Papst fern vom Vatikan Privatmensch sein darf. Den knuffigen Petrus muss man einfach mögen. Das italienische Flair des kleinen Küstenortes und die liebevoll ausgeschmückten Details, die das alte Hotel beschreiben, lassen selbst an Regentagen Sommerlaune aufkommen.

Die bunt zusammengewürfelten Hotelgäste geben genug Anlass für Spekulationen. Jeder von ihnen könnte ein Motiv haben. Ein Hauch von Dolce Vita begleitet die Geschichte, denn keine geringere als Jackie Kennedy war in den 60er Jahren Gast des kleinen Hotels und ihre Liaison mit Gianni Agnelli wird gekonnt eingeflochten. Ein geheimnisvolles Collier von Jackie soll noch immer im Hotel versteckt sein.

Bis zum Schluss tappt man als Leser im Dunkeln, denn keinem dieser sympathischen Charaktere traut man eine solche Tat zu. Um so überraschender dann die Auflösung des Falles.

Mich hat dieser Urlaubskrimi mit einem Hauch Amore und einem ungewöhnlichen Ermittler wunderbar unterhalten.

Weitere Informationen findet man auf der Website zur Buchreihe: http://www.papstkrimi.de



Freitag, 12. August 2016

Terror-Tantchen von David Walliams





    Erscheinungsdatum: 08.07.2016
    Verlag: Rowohlt Taschenbuch
    ISBN: 9783499217418
    Fester Einband: 416 Seiten

    Meine Bewertung: 4,5 von 5 Punkten 


Noch geschockt von der Nachricht, dass ihre Eltern einen tödlichen Unfall hatten, muss die 8-jährige Stella sich gegen ihre furchtbare Tante Alberta zur Wehr setzen. Diese will ihr das geerbte Schloss Saxby Hall entreißen und greift zu hinterlistigen Mitteln. Fast hätte Stella aufgegeben, als ihr der Geist von Schornsteinfeger Ruß zur Hilfe kommt.



David Walliams hat einen bitterbösen Humor, der besonders gut bei der empfohlenen Altersgruppe von 10 - 12 Jahren ankommt. Eingeleitet und untermalt wird die Geschichte mit Illustrationen von Tony Ross, so kann man sich gleich ein Bild von Saxby Hall und deren Bewohnern machen.

Sehr dominant und abscheulich bestimmt Tante Alberta das Geschehen der Handlung. Es besteht überhaupt keine Gefahr, diese furchtbare Frau sympathisch zu finden. Die spielsüchtige Flohspiel-Spielerin hat schon als Kind furchtbare Dinge getan. Jetzt will sie endlich das Familienerbe, Schloss Saxby Hall, für sich allein. Nur ihre Nichte steht ihr noch im Weg.

Die arme Stella ist mit der Situation völlig überfordert. Als englische Lady ist ihr jede Bösartigkeit fremd und es fällt ihr schwer, sich Alberta in den Weg zu stellen. Glücklicherweise gibt es den Geist Ruß, der ihr hilft sich gegen Alberta aufzulehnen.

Besonders gefallen haben uns der skurrile Butler Gibbon, der flambierte Hausschuhe serviert und der riesige Berg-Uhu Wagner, der bei Alberta bekleidet mit Schlafanzug im Bett schläft.

Einen kleinen Stern haben wir für die allzu ausführlichen Aufzählungen abgezogen. Ob es Fantasiefreunde oder giftige Pflanzen sind, hier wurde nach dem Gefühl der jungen Leser zu weit ausgeholt.



Es macht Spaß den Autor beim Vorlesen zu erleben.




Donnerstag, 11. August 2016

Die Grammatik der Rennpferde von Angelika Jodl - Hörbuch gelesen von Martina Gedeck



    Erscheinungsdatum: 24.05.2016
    Verlag:  Random House Audio
    ISBN: 9783837133936
    Hörbuch: 6 CDs, Laufzeit: 7h 30

    Meine Bewertung: 5 von 5 Punkten 
Für ihre ausländischen Studenten ist die Deutschlehrerin Salli Sturm ein tägliches Highlight, doch privat glänzt bei Salli wenig. Verabredungen mit Kollegen und einsame Videoabende trösten sie über die Einsamkeit hinweg bis Sergey, ein russischer Stallarbeiter, als Privatschüler in ihr Leben tritt. Die Grammatikstunden gestalten sich schwierig und der verschlossene Russe mit seinen eingefahrenen Satzstellungen macht es Salli nicht leicht. Doch langsam entwickelt sich zwischen Lehrerin und Schüler ein besonderes Gefühl, mit dem beide nicht mehr gerechnet hätten.



Angelika Jodl ist von der ersten Seite an ihre Leidenschaft für Sprache und Grammatik anzumerken. Alle Kapitelüberschriften beginnen mit einer grammatikalischen Einleitung.
Die Sprecherin Martina Gedeck verleiht diesem Hörbuch eine besondere Lebendigkeit mit hohem Unterhaltungsfaktor. Sie versteht es jedem Charakter eine eigene Stimme zu geben und besonders die grammatikalischen Fehler perfekt auszusprechen. Es ist bestimmt nicht leicht, eine falsche Satzstellung glaubwürdig zu sprechen. Besonders bei Sergey und den chinesischen Studentinnen ist Martina Gedeck dies hervorragend gelungen.
 

Das Zusammenspiel zwischen der lehrplanorientierten regelgerecht lebenden Salli und dem spröden, verschlossenen und pragmatischen Sergey macht Spaß zu lesen. Ganz nebenbei erfährt man auch viel über den Rennsport und Pferdehaltung. Die Stute Katka hat eine nicht unerhebliche Schlüsselfunktion im Roman.

Salli muss man sofort ins Herz schließen. Sie lebt für die Sprache, umgibt sich mit Wortart-Tieren, wie Nomen-Elefanten und Pronomen-Äffchen, die sie gedanklich ständig begleiten. Obwohl sie von ihren Studenten geliebt wird, fühlt sie sich selbst unter all ihren promovierten Kollegen minderwertig. Heimlich hofft sie auf eine Gefühlsregung ihres Kollegen Anselm, der aber auch von anderen Kolleginnen hofiert wird. Der Unterschied zwischen der selbstsicheren Lehrerin und der fast schon hilflosen Salli im Alltag macht sie so liebenswert.

Sergeys Sprache ist herrlich, die Mischung aus Muttersprache, Satzverdrehern und urigem Dialekt hört man richtig beim Lesen. Manche Worte habe ich laut gelesen, dann ist es noch besser.
Sergey ist als Ex-Jockey sehr kompetent im Umgang mit Pferden. Trotzdem wird seine harte Arbeit schlecht bezahlt und er muss viele Demütigungen einstecken. Man wird richtig wütend auf die arroganten Pferdebesitzer und den ausbeutenden Stallbesitzer. Seine Sprachschwierigkeiten kosten ihn sogar eine Anstellung, dennoch behält er bewundernswerter Weise seine Würde:

"Ein Mann zeigt nicht, was in seiner Seele passiert. "
Salli sieht durch Sergeys Unterricht eine Change, doch noch einen Doktortitel zu erhalten. Sergey wird uneingeweiht zum Studienobjekt und Salli zieht zu ihm von Schwabing nach Daglfing. Doch das anfängliche Ziel verliert sich und aus der Lehrerin wird eine staunende Schülerin.
"Und sagst du immer, das soll ich lernen! No, heute du musst. Oder geht net bei dir mit Lernen?"
Kulturelle Unterschiede, Sprachschwierigkeiten, Missverständnisse stehen zwischen Salli und Sergey, aber die Liebe setzt sich trotzdem durch. Gesellschaftskritik wundervoll umgesetzt. Warmherzig, leise, mit liebenswerten, sympathischen Protagonisten.
 

Die Olchis. Gefangen auf der Pirateninsel von Erhard Dietl


www.olchis.de


    Erscheinungsdatum: 25.07.2016
    Verlag: Oetinger
    ISBN: 9783789104404
    Fester Einband: 160 Seiten

    Meine Bewertung: 5 von 5 Punkten 


Touristen wohin man schaut. Die Olchis finden auf ihrer geliebten Müllhalde keine Ruhe mehr. Schmuddelfings Bürgermeister weiß Rat und schenkt ihnen kurzerhand eine Kreuzfahrt. Doch statt einer Luxusreise finden sich die Olchis auf einem Piratenschiff wieder. Festgehalten auf einer Insel, bewacht durch einen Drachen warten, die Olchis auf Hilfe.



Unglaublich, dass die Olchis nach so vielen Jahren immer noch Spaß machen. Erhard Dietl gelingt es auch mit diesem Band die großen und kleinen Olchis-Fans zu begeistern. Besonders die empfohlene Altersgruppe von 8 bis 10 Jahren wird angesprochen, aber auch ältere Kinder und deren Eltern werden sich gut unterhalten fühlen. Humorvolle Szenen, gewohnt fluchige Sprüche und außergewöhnliche Leckereien hinterlassen ein breites Grinsen. Durch lustige Illustrationen kann man sich die Handlung noch besser vorstellen.

Nicht alle Olchis verreisen. Diesmal sind Oma, Opa und die Kinder auf großer Fahrt. Es dauert eine Weile, bis die Olchis merken, dass sie in der Gewalt von schurkigen Piraten sind. Glücklicherweise sind die Olchis sehr ideenreich und haben ihre eigenen "Waffen" um den Kampf mit den Piraten aufzunehmen. Ein entfernter grauer Verwandter, der auf der Insel lebt, ist diesmal die besondere Überraschung.

Wir hatten olchigen Spaß beim Lesen und besonders die Kinder mochten die lustigen Flüche der grünen Müllhaldenbewohner. Hoffentlich gibt es noch viele weitere Abenteuer.

Dienstag, 9. August 2016

Plötzlich mächtig von Mia Sassen






    Erscheinungsdatum: 21.05.2016
    Verlag: ROWOHLT Wunderlich
    ISBN: 9783805250917
    Flexibler Einband: 348 Seiten

    Meine Bewertung: 4,5 von 5 Punkten 

Raus aus dem Alltag das klingt verlockend. Jule nimmt spontan ein Engagement im "Frollein-Salonorchester" in Mexiko an. Nette Reisebekannte im Flieger und ein überraschender Empfang am Flughafen lassen ihre Stimmung steigen. Durch eine Verwechselung spielt sie nicht Ukule, sondern mimt die Vorstandschefin eines Luxuskonzerns. Doch was als Urlaubslaune anfängt, entwickelt sich langsam zum Selbstfindungstrip. Das Versteckspiel kostet Kraft und Jule mag auch nicht mehr lügen, denn wenn Gefühle ins Spiel kommen, muss man sich entscheiden. Aber nicht immer hat man das Geschehen selbst in der Hand.



Mia Sassen hat einen temperamentvollen Sommerroman geschrieben, der zwischen all den humorvollen Szenen und wundervollen mexikanischen Landschaftsbildern eine Botschaft vermittelt. Es ist nie zu spät sein Leben zu ändern, man muss es nur in Angriff nehmen.

Hauptprotagonistin Jule scheint sich mit ihrem trostlosen Singleleben abgefunden zu haben. Ihr Chef nutzt sie schamlos aus, ihre Kinder sind erwachsen und brauchen sie nicht mehr. Ihre Träume sind tief vergraben, bis sie unverhofft zu einer Orchesterreise nach Mexiko aufbricht. Bestärkt durch ihre Reisebekannten Ada und Richard lässt sie sich auf ein Verwechselungspiel ein und tritt als Vorstandschefin auf, dessen zufällige Namensvetterin sie ist. Statt Ukuleletönen nimmt sie Geschäftstermine war und verhandelt Verträge aus. Da niemand die neue Vorstandschefin kennt, fällt der Schwindel nicht auf. Sie hat Erfolg, genießt den Luxus und hat ihr Herz an ihren Dolmetscher verloren. Doch kann man aufgebaut auf einer Lüge ein neues Leben beginnen?

Jule ist einem sofort sympathisch. Ihre etwas tolpatschige aber liebenswerte quirlige Art verleitet zum Schmunzeln. Kaum zu glauben, dass sie kurz vor ihrem 50. Geburtstag steht. Man gönnt ihr die Auszeit im Luxusleben und beneidet sie vielleicht auch ein wenig. Gute Freunde findet sie in Ada und Richard, die beide auch mit Alltagsdämonen zu kämpfen haben und deshalb so gut zu Jule passen. In tropischen Gefilden fällt bei allen langsam die Anspannung ab und sie können sich neuen Dingen öffnen, zeigen ungeahntes Potenzial.

Auch wenn das Ende etwas zu actionreich und unglaubwürdig spektakulär ausfällt, fühlt man sich doch rundum gut unterhalten. Meine Reise- und Auszeitlust wurde geweckt.