Freitag, 10. Februar 2017

Der Schnee, das Feuer, die Schuld und der Tod von Gerhard Jäger


https://www.randomhouse.de/Buch/Der-Schnee,-das-Feuer,-die-Schuld-und-der-Tod/Gerhard-Jaeger/Blessing/e502067.rhd#info
    Erscheinungsdatum: 26.09.2016    
    Verlag:
Karl Blessing Verlag
    ISBN: 9783896675712
    Flexibler Einband: 400 Seiten

    Leseprobe

    Meine Bewertung:
5 von 5 Punkten 
  Zum Schreiben hat sich der junge Historiker Max
  Schreiber 1950 in ein Tiroler Bergdorf zurückgezogen.
  Einsam ist es hier und die Dorfbewohner voller Misstrauen
  dem Fremden gegenüber, denn er rüttelt an alten
  Geheimnissen. Er fühlt sich hingezogen zu einer jungen
  Frau, doch da ist noch der Kühbauer, der schon lange um
  Maria wirbt. Jemand stirbt und ein Stall brennt, aber zur
  Klärung bleibt keine Zeit, denn die Lawinen bedrohen das
  Dorf und alle bangen um ihr Leben. Fast 60 Jahre später
  fliegt der achtzigjährige John Miller von Amerika nach
  Innsbruck, um Recherchen über einen Mörder, seinen
  Cousin, durchzuführen.


"Es gibt Momente, Orte, die dir Angst machen. Du weißt, dass da etwas ist, das auf dich wartet, gesichtslos, namenlos, jenseits aller Begriffe, jenseits aller Konturen, und doch, es ist da, du spürst es, und du weißt nur eines: Es ist nichts Gutes."
Der Schreibstil erinnert an ein Gemälde. Jeder Satz ein Pinselstrich, der emotionsgeladene Bilder entstehen lässt. Gerhard Jäger hat einen besonderen Sprachrhythmus, der fesselt und besondere Gefühle heraufbeschwört. Verschiedene Zeit- und Erzählebenen, lange verschachtelte Sätze, die sich erstaunlich gut lesen lassen und akzentuierte Wiederholungen einzelner Sequenzen, zeichnen den Stil aus.  
"...aus seinem Mund kommen Berge und Hügel, Gipfel und Grate, Wälder und Schluchten, Wege und Pfade, ein paar rot glühende Sonnenstrahlen wie Farbtupfer auf die Bergspitzen gesetzt, zimmern weitere Buchstaben die kleine Alm, die in einer Senke an einer steilen Bergflanke vor den wütenden Winden des Hochgebirges Schutz sucht und Schutz bietet, seit vielen, vielen Jahren, all den Hirten, die die Sommer hier verbringen, hier, bei den Kühen, die die Hänge und die wenigen Ebenen abweiden, ruhig und bedächtig, denn es ist ein friedliches Leben."
Es liegt von Anfang an eine spürbare Spannung in der Luft. Ein Fremder, der in die abgeschnittene harte Welt des kleinen Bergdorfes eindringt. Man sieht förmlich, wie Max Schreiber argwöhnisch beobachtet, jeder Schritt und jedes Wort kritisch bewertet wird. Sagen, Mythen und Aberglaube spielen hier eine große Rolle. Unbewusst schürt Max den Unwillen der Dörfler, als er sich für die stumme Marie interessiert. Sein anfänglich als Roman geplantes Buch wird immer mehr zu einem Tagebuch, dessen Form sich von der Ich-Erzählung zur Betrachtung wandelt und seine Unruhe, Verlorenheit und Ängste widerspiegelt.

Dann kommt der Winter, so kalt, brutal und unberechenbar, dass man beim Lesen eine Gänsehaut bekommt. Vom geschichtlichen Lawinenwinter 1951  hatte ich vorher noch nichts gelesen und wurde von der unfassbaren Wucht der Lawinen sprichwörtlich mitgerissen. Man kämpft gegen die Schneemassen, die die Häuser einstürzen lassen und am Ende nur noch ums nackte Überleben. Zusammengedrängt in der Kirche hört man das Donnern der ins Tal krachenden alles zermalmenden weißen Flut. Viele kommen darin um, werden vermisst, so auch Max Schreiber. Nur sein Manuskript taucht später wieder auf.

Hier setzt die Rahmenhandlung ein. Im Jahr 2006 fliegt der achtzigjährige Amerikaner John Miller nach Österreich, um am spürbaren Ende seines Lebens der Spur eines Mörders zu folgen. Im Innsbrucker Landesarchiv liest er das Manuskript von Max Schreiber, taucht in dessen Geschichte ein und lässt den Leser am Geschehen teilhaben. Eigene Erinnerungen führen ihn immer wieder fort in die Vergangenheit, wecken Gefühle und Sehnsüchte nach seiner verstorbenen Frau Rosalind:


"...Rosalind über eine Kiste mit Büchern gebeugt, Rosalind mit einem alten Schmöker am Fenster sitzend, Rosalind in einer angeregten Diskussion mit einem Kunden, Rosalind die mir mit einem triumphierenden Blick ein seltenes Exemplar reicht, Rosalind, Rosalind."
Das Lesen wühlt den alten Herren sichtlich auf und man bangt um dessen Gesundheit. Nach und nach wird ersichtlich, dass auch seine Lebensgeschichte ein Geheimnis birgt, welches bis zum Schluss verborgen bleibt.

Mich hat dieser Roman mit seiner poetisch eindringlichen Art schlicht und einfach begeistert. Ein absolut empfehlenswertes Lesehighlight.





 

2 Kommentare:

  1. Hallo Gela,
    das Buch ist heute bei mir angekommen. Vom lawinenwinter 1951 habe ich schon den Film von Reinhold Bilgerei gesehen "Der Atem des HImmel" (gibt auch ein Buch dazu), der wirklich sehr gut war!!!!
    Ich habe ein bisschen in die Leseprobe reingelesen und wusste dieses Buch möchte ich lesen.
    Liebe Grüße
    Martina
    http://martinasbuchwelten.blogspot.co.at/

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Martina,
      ich bin sehr gespannt, wie Dir das Buch gefällt. Du bist ja wesentlich näher an den Bergen als ich.
      Liebe Grüße
      Gela

      Löschen